Wie Sie mehr Vertrauen im Team aufbauen
„Wir gehen vertrauensvoll und offen miteinander um“ steht zwischen einigen weiteren wichtigen Aussagen auf dem gerahmten Plakat mit den Firmenleitlinien und Unternehmenswerten im Besprechungszimmer. Doch der gelebte Arbeitslltag sieht ganz anders aus:
- Die Teamleiterin kontrolliert abends heimlich die Angebote und Auftragsbestätigungen ihres Teams.
- Der Geschäftsführer wundert sich, dass in der Teamsitzung nicht offen diskutiert wird, ob er an bestimmten Projektmeetings teilnehmen soll oder nicht.
- Anita A. sitzt auf Abruf, um ihrem Chef das Projekt zu präsentieren. Um 18 Uhr stellt sie fest, dass er bereits nach Hause gefahren ist. Leider nicht das erste Mal.
- Im Unternehmen wurde Vertrauensarbeitszeit und Home-Office eingeführt. Gleichzeitig müssen die Mitarbeiter aber Excellisten über Arbeitszeiten führen.
- Aber auch Informationen zurückhalten seitens der Mitarbeiter, Dienst nach Vorschrift, Lästerrunden oder Revierdenken.
Kommt Ihnen bekannt vor? So oder so ähnlich spielen sich täglich Szenen in Unternehmen ab. Und die gut gemeinten Werte auf dem Leitlinienplakat bleiben einfach nur Worte auf einem Blatt Papier.
In vielen Unternehmen ist noch eher wenig von einer Vertrauenskultur und der Arbeitswelt 4.0, zu spüren, die Innovation und Produktivität fördern sollen. Dabei wünschen sich Führungskräfte Mitarbeitende, die das Gehirn nicht an der Garderobe abgeben, sondern selbstverantwortlich arbeiten, neue Ideen haben und ihren Gestaltungsspielraum nutzen. Und Angestellte, besonders die junge Generation, wünschen sich im Job mehr Freiraum. Sie wollen ihre Aufgaben auf die eigene Art und Weise erledigen und nicht ständig kontrolliert werden. Beides setzt ein Grundmaß an Vertrauen voraus, denn gegenseitiges Vertrauen ist die Basis eines starken Teams (siehe Artikel Dysfunktionen).
Was sind die Voraussetzungen für Vertrauen und wie kann Vertrauen entstehen? Was braucht es also um ein vertrauensvolles Klima zu schaffen? Hier fünf Faktoren für mehr Vertrauen im Team:
Vertrauen: Welches Menschenbild haben Sie?
Die persönliche Haltung zum Thema Vertrauen ist ausschlaggebend, wie Sie agieren und was Sie auch wieder zurückbekommen. Was denken Sie prinzipiell über Vertrauen als Führungskraft?
Ob Sie Ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen, hängt ganz von Ihrem Menschenbild ab. Was glauben Sie über Ihre Mitarbeiter?
A: Meine Mitarbeiter strengen sich an, sie übernehmen Verantwortung und wollen Probleme für den Kunden lösen. Sie identifizieren sich mit ihrer Arbeit und sind in der Lage auch schwierige Aufgaben zu übernehmen.
Oder B: Erwarten Sie, dass Ihre Mitarbeiter lieber blau machen als ohne Kontrolle zu arbeiten und eher verantwortungslos handeln?
Sicher gibt es „faule Eier“ im Unternehmen. Aber durch zu starke Kontrolle werden alle verurteilt und selbstverantwortliches oder kreatives Arbeiten völlig behindert. Sehr enges Führen und Mikromanagement lässt wenig Spielraum für ein vertrauensvollen Klima im Team.
Zu einer vertrauensvollen Haltung gehört auch ein Growth Mindsets, bei dem Sie glauben, dass Menschen in der Lage sind sich zu verändern, sich zu entwicklen und zu wachsen. Im Gegensatz zu einem Fixed Mindset, das sagt dass Menschen so sind, wie sie sind und sich auch nicht verändern können. Mit dieser Haltung fällt es Ihnen sicherlich leicht den Mitarbeitenden ein hohes Maß an Vertrauen entgegenzubringen.
Und an welcher Stelle könnten Sie Ihre Haltung dazu veränden? Was würde passieren? Etwas mehr Vertrauen verschenken, kann schon eine Menge verändern.
Aber auch als Teammitglied: Wie gehen Sie mit Vertrauen um? Wie ist Ihre Haltung dazu? Was glauben Sie denn über Ihren Kollegen, der regelmäßig im Home-Office arbeitet. Wahrscheinlich geht er schon wieder zum Tennisspielen oder kümmert sich um die Kids (macht sich also einen faulen Lenz). Oder ist die Haltung eher mir wird Vertrauen geschenkt, das ich nicht ausnutze und ich verschenke ebenfalls Vertrauen und glaube daran, dass meine Kollegen im Sinne des Unternehmens arbeiten.
Mutig voran durch Vertrauensvorschuss
Die Haltung, wie oben beschrieben, zeigt ganz deutlich: Vertrauen heißt immer ein entscheidendes Stück Kontrolle abzugeben und loszulassen. Das fällt uns nicht immer leicht. Manchmal braucht es sogar etwas Mut dafür.
In dem Sie Vorschussvertrauen geben, gehen Sie quasi in Vorleistung. Denn das bedeutet so zu handeln, als ob man genau weiß, dass die andere Partei im Sinne des WIR handelt. Denn häufig wird die Vertrauenswürdigkeit von Menschen unterschätzt. Ein Vertrauensvorschuss bedeutet wichtige Aufgaben zu übertragen, auch wenn Sie nicht sicher sein können, was das Ergebnis ist. Und es bedeutet darauf zu vertrauen, dass Mitarbeiter oder Teammitglieder gute Lösungen entwickeln werden. Auch wenn die „Gefahr“ besteht, dass das Ergebnis nicht das ist, was man eigentlich erwartet hat oder der Weg, den man selbst eingeschlagen hätte. Lassen Sie sich überraschen. Das kann den Weg frei machen für neue Wege, Innovation und kreative Ideen.
Und vertrauen Sie ebenso darauf, dass die Mitarbeiter um Hilfe bitten, wenn es nicht mehr weitergeht.
In der Regel wird Ihr Mut doppelt belohnt werden. Zum einen, wenn die Mitarbeiter das Vertrauen rechtfertigen und zum anderen, wenn sie vielleicht sogar über sich hinaus wachsen.
Auch wenn es mal nicht so läuft: Vertrauen behalten
Indem Sie Vertrauen schenken, gehen Sie natürlich auch ein gewisses Maß an Risiko ein. Das Risiko enttäuscht zu werden.
Die Frage ist nur, wie Sie auf einzelne Fälle von Enttäuschung reagieren. Wandelt es sich sofort in Misstrauen um oder ist es eine Art Lernprojekt, bei dem Sie jedes Mal klüger werden, wo Sie noch Unterstützung bieten müssen, welche Rahmen oder Parameter für evtl. Entscheidungsspielräume noch gesteckt werden müssen oder wieviel Vertrauen sie zukünftig geben können. Zu einer Vertrauenskultur gehört eben auch eine Fehlerkultur, in der es OK ist etwas auszuprobieren und Fehler zu machen, um daraus regelmäßig Verbesserungspotenziale zu erkennen.
Entwickeln Sie also ein Gefühl dafür, wie viel Vertrauen, wann möglich ist.
Für psychologische Sicherheit sorgen
Eine Studie zur Teamarbeit von Google* zeigt, dass es für den Teamerfolg nicht so maßgeblich ist, wer zum Team gehört. Das Teamergebnis hängt vor allem mit dem Maß an psychologischer Sicherheit zusammen, das die Teammitglieder empfinden.
Wenn ein Mitarbeiter also ständig das Gefühl hat sich absichern zu müssen und auf der Hut zu sein, um nicht unter die Räder zu kommen, trägt das nicht zu einem sicheren Gefühl bei. Manchmal sind es schon die kleinen Dinge, die für psychologische Sicherheit sorgen.
Wertschätzung und Anerkennung, Zuhören, Zeit in Beziehung zum Kollegen und Mitarbeiter investieren, Klarheit und Offenheit, Verlässlichkeit, sich willkommen fühlen, gemeinsam Ideen diskutieren, Schwächen oder fehlendes Wissen zugeben, gemeinsam feiern…
* Zweijährige Studie namens Aristoteles, die Google mit über 180 eigenen Teams durchgeführt hat.
Regeln festlegen
Regeln festlegen? Es wollen doch jetzt alle selbstorganisierter arbeiten und jeder bekommt mehr Verantwortung, dann werden doch auch keine Regeln mehr benötigt. Führen Regeln nicht zu noch mehr Kontrolle?
Nicht ganz. Denn Vertrauen entsteht gerade dann, wenn für alle klar ist, was erreicht werden soll bzw. jeder weiß, wie entschieden wird. Und dafür braucht es Transparenz und einen klaren Rahmen.
Gerade bei Mitarbeitenden, die in puncto Vertrauen eher schlechte Erfahrungen gemacht haben oder es (noch) nicht gewohnt sind in einem vertrauensvollen Umfeld zu arbeiten, helfen klare Kommunikation und deutlich formulierte Regeln, um mehr Vertrauen zu entwickeln und sich entspannter in diesem Umfeld zu bewegen. Wenn allen klar ist, wie im Unternehmen entschieden wird, desto mehr können alle auch Einfluss nehmen. Das bietet Sicherheit, Orientierung und vereinfacht auch alles.
Diese Regeln können ganz unterschiedlich aussehen. In manchen Fällen genügen informelle Regeln und Transparenz über Ziele und Hintergründe, um einen Rahmen zu geben. Ein gewisser sozialer Druck der Kollegen hilft dann auch gewisses Fehlverhalten einzudämmen.
Wenn Sie Ihr Team bevollmächtigen wollen, dass es selbstverantwortlich handelt und entscheidet, dann sollten klare Delegationsregeln eingeführt werden. Hier kann beispielsweise ein Delegation Board genutzt werden. Das Delegation Board ist ein agiles Framework, bei dem über verschiedene Stufen festgelegt wird, wer was auf welchem Level entscheiden darf.
Fazit: Wie viel im Plus ist Ihr Vertrauenskonto?
Wieviel Kontrolle ist notwendig? Und wo verschenken Sie bereits Vertrauen? Wie füllen Sie das Wort Vertrauen mit Leben, damit es nicht bloß Buchstaben auf einem Blatt Papier bleibt?
Mit Vertrauen ist es im Grunde so, wie mit einem Bankkonto. Um das Konto im Plus zu halten, sollte man lieber mehr Einzahlen als Abheben. Das gleiche gilt auch für das Vertrauenskonto: vor dem Abheben erst mal mit dem Einzahlen beginnen.